Knochenbrüche heilen anders als bisher angenommen
Bislang hatte man angenommen, dass Fibrin – ein Protein, das auch an der Blutgerinnung beteiligt ist – für die Heilung von Knochen notwendig ist – Tatsächlich sind es nur einzelne Bestandteile des Fibrins, die für die Reparatur von Knochenbrüchen benötigt werden, das Fibrin also eher entzogen werden muss, damit sich neue Blutgefäße bilden und wieder miteinander verbinden. Das Vanderbilt Zentrum für Medizin an der Universität von Nashville, Tennessee, veröffentlichte aktuell eine Studie, die es womöglich notwendig macht, viele Standardwerke über Knochenheilung neu zu schreiben. Das Forscherteam geht davon aus, dass die Ergebnisse der Untersuchung künftig auch zu anderen Behandlungsmethoden bei Knochenfrakturen führen werden.
Jonathan Schoenecker, Assistenz-Professor für Orthopädische Chirurgie und Rehabilitierung an der Vanderbilt Universität, sagt, dass viele Medikamente zur Förderung der Knochenheilung auf Fibrin basieren – das mag in einigen Fällen helfen, meistens ist es aber überflüssig.
Die Natur benötigt das Fibrin nicht, um eine Fraktur zu heilen, stellt Schoenecker fest. Fibrin, ein Protein, das die Blutgerinnung etwa bei Verletzungen in Gang setzt, hat durchaus auch bei Frakturen eine Funktion: Brechen Knochen, zerreißen auch Blutgefäße. Fibrin stoppt auch diese Blutungen. Normalerweise liegt es in inaktiver Form vor, bekannt als Fibrinogen. Mit Hilfe eines Enzyms, Thrombin, verwandelt sich Fibrinogen in Fibrin, immer dann, wenn eine Blutung eintritt. So entsteht ein zähes Fasergewebe, das die roten Blutkörperchen am Platz hält und offene Verletzungen mit einer Blutkruste verschließt.
Die meisten Menschen wissen nicht, wie viele Blutgefäße in Knochensubstanz sitzen – und wie viele Blutgefäße bei einer Fraktur mit verletzt werden.
Bislang gingen Mediziner und Biologen davon aus, dass Fibrin auch bei der Bildung neuen Knochengewebes hilft, indem es eine Art Gerüst bildet. Doch im Tierversuch fand man heraus, dass Frakturen bei Mäusen auch ohne Vorhandensein von Fibrinogen glatt heilten.
In vorangegangenen Arbeiten benutzt man eine Art Computersimulation, um zu zeigen, dass die Heilung von Knochenfrakturen auch von der Neuverbindung von unterbrochenen Blutgefäßen abhängig ist. In der Tat sind es die Blutgefäße, die zuerst heilen, sich verbinden und dann erst neue Knochensubstanz sich bildet.
Professor Schoenecker nahm daraufhin an, dass allzu viel Fibrin bei dieser Neuverbindung von Blutgefäßen nur hinderlich sein könnte.
Tatsächlich bewies sich das im Tierversuch mit Mäusen: Fehlte ein bestimmter Faktor, der Fibrin ausschaltete, verbanden sich die Blutgefäße nicht sehr gut über die Frakturkanten hinweg und die Knochenheilung selbst verlangsamte sich.
Manipulierte man die Mäuse so, dass sie kein Fibrinogen bilden konnte, heilte die Fraktur in kürzester Zeit.
Das könnte, so Professor Schoenecker, erklären, warum starke Raucher, fettleibige oder Patienten mit Diabetes Schwierigkeiten bei der Heilung von Frakturen haben: All diese Faktoren verhindern, dass Fibrin im Bedarfsfall beiseitegeschoben wird.
Je weniger Fibrinogen vorliegt, desto besser heilen Knochen – Kindern, die nur 50% des Fibrinogen-Niveaus im Blut haben, im Vergleich zu Erwachsenen, haben mit einem Knochenbruch nur kurze Zeit zu kämpfen.
Könnte man also das Fibrinogen-Niveau senken – oder aber die Enzyme aktivieren, die Fibrin gezielt ausschalten können – würden auch bei Erwachsenen Frakturen in Rekordzeit heilen.
Ebenfalls im Tierversuch bestätigt. Mäuse, denen das entsprechende Enzym fehlte, bildeten Knochen innerhalb der Muskelstruktur, ein Phänomen, das als Hereotopische Ossifikation” bekannt ist, und das häufig nach orthopädischen Eingriffen auftritt.
Den Studienergebnissen zufolge müssten einige Medikamente, die derzeit verwendet werden, die Blutgerinnung zu verlangsamen oder zu verhindern, auch bei der Reparatur und Regeneration von Knochengewebe hilfreich sein.