Gehirnstrukturen entdeckt, die das “Belohnungszentrum” und seine Funktion verlangsamen
An der McGill-Universität in Montreal, Kanada, wurde nun erstmals ein spezifischer Teil des Gehirns identifiziert. Dieser Bereich ist für eine verzögerte Reaktion des „Belohnungszentrums“ verantwortlich. Normalerweise wird der Hippocampus mit dem Gedächtnis in Verbindung gebracht, der Nucleus Accumbens mit „Belohnung“ und Befriedigung nach einer Aktion. Beide arbeiten zusammen, wobei Zeit eine wichtige Rolle spielt. Ist die Verbindung zwischen den beiden Strukturen gestört oder unterbrochen, werden auch Entscheidungen behindert, deren Ausführung normalerweise eine “Belohnung” nach sich ziehen.
Diese Entdeckung könnte nicht nur einer ganzen Reihe neuropsychiatrischer Störungen zugrundeliegen, wie etwa ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) oder Angstneurosen, sondern auch ganz alltägliche Probleme auslösen, wie etwa unangepasstes Entscheidungsverhalten bei Drogen- oder Alkoholkonsum, Spiel- oder Kaufsucht.
Das Forscherteam kam den Zusammenhängen mit Hilfe von Versuchsratten auf die Spur. Diese waren trainiert worden, zwischen unterschiedlichen Stimuli zu wählen, die ihnen nach einer jeweils wechselnden Zeitspanne unterschiedliche Mengen an Belohnungen verschafften. Die Ratten sollten beispielsweise per Nasen-Druck zwischen zwei identischen Umrissen auf einem Berührungs-Bildschirm wählen. Dafür bekamen sie jeweils Belohnungen in Form von süßen Pellets – die meisten Ratten mögen Süßes.
Mit der Zeit lernen die Ratten, zwischen einer kleinen, aber sofort gelieferten Belohnung und einer großen Belohnung nach einer Wartezeit zu wählen. Wie der Durchschnittsmensch wählte die Durchschnittsratte in der Regel die größere Belohnung – doch nur dann, wenn die Wartezeit nicht zu lange ausfiel und die Belohnung groß genug war.
Unterbrachen die Forscher jedoch die Gehirn-Verbindung zwischen dem Hippocampus und dem Nucleus Accumbens, wurden die Ratten ungeduldig und waren nicht mehr bereit, auf ihre Belohnung zu warten, auch nicht für wenige Sekunden. Sie wählten stets die sofortige Belohnung, auch wenn diese kleiner ausfiel. Unterbrach man Verbindungen zu anderen Sektoren im Gehirn, etwa zum präfrontalen Cortex, dem Zentrum der Entscheidungsfindung, veränderte sich das zuvor beobachtete Verhalten dagegen nicht.
Eine bestimmte Art von Entscheidungsfindung fällt uns allen im Alltagsleben schwer, insbesondere den jungen Menschen, den sehr Alten und solchen, die an Gehirn- oder psychischen Erkrankungen leiden. Der Zusammenhang macht Sinn: Im Hippocampus wird die Zukunft geplant, das Belohnungszentrum dagegen sitzt im Nucleus Accumbens – hier kommt das meiste Dopamin an, ein chemischer Neurotransmitter, der insbesondere Glücksgefühle, Belohnungs- und Zufriedenheitsgefühle überträgt.
Nachdem dieses Zusammenspiel nun entschlüsselt wurde, lassen sich daraus womöglich therapeutische Maßnahmen für ein Eingreifen bei schwerwiegenden Verhaltensauffälligkeiten ableiten.