Das weibliche Immunsystem arbeitet anders als das männliche
Eine neue Technologie ermöglicht es, das komplexe System des Organismus zu untersuchen, mit dem Gene “an- oder ausgeschaltet” werden. Dabei wurde entdeckt, dass Gene, die mit dem Immunsystem verknüpft sind, sich wesentlich öfter verändern und der An- oder Ausschaltung unterworfen sind als andere, und dass sogar ein und dieselben Gene in Männern und Frauen unterschiedlich arbeiten.
Einige Gene sind praktisch ständig im Einsatz, vergleichbar mit der Standby-Schaltung eines Radioweckers oder einer Mikrowelle, andere werden anscheinend jahrelang nicht benötigt, sie liegen wie vergessene, überflüssige Gerätschaften in einem Schrank. Andere Gene wieder sind bei bestimmten Personen ständig aktiv, bei anderen nicht. Eine Minderheit von ihnen werden ständig abgerufen oder wieder de-aktiviert. Mit einer neuen Untersuchungsmethode ist es nun möglich geworden, die Moleküle, die diese Aktivierungsmechanismen steuern, im Detail zu studieren. Dabei kamen einige faszinierende Überraschungen ans Licht, wie eine Studie an der medizinischen Fakultät der US-Universität Stanford berichtet. Das war teilweise möglich, weil ein Team in Stanford nun die Ansprechbarkeit von Genomen durch ihre Regulative durch eine neu erfundene Technologie ermitteln und messen kann.
Diese neue Technik wird ATAC-seq genannt und erlaubt es, lebende Zellen besser zu “beobachten”. Bislang waren dazu ungeheure Mengen von Zellen notwendig, etwa mehrere hundert Gramm Gewebe – die aus einer lebenden Person kaum zu entnehmen sind.
Eine Alternative war die Arbeit mit im Labor gezüchteten Zellen – praktisch Kopien der Kopien der Originalzellen, die durch die besonderen Bedingungen auch ihr Verhalten vollständig verändern. In Korrelation mit der Zellreaktion von lebenden Personen, die bestimmte Dinge essen, unter emotionaler Belastung stehen oder gerade eine Infektion durchmachen.
In der aktuellen Studie wurden Blutproben von zwölf gesunden Freiwilligen verwendet, um die genannten Zell-Reaktionen zu beobachten. Dabei wurden auch die jeweiligen Lebensumstände der Personen beleuchtet. Insbesondere die T-Zellen hatte das Stanford-Team im Visier, die relativ leicht au seiner Standardblutprobe zu entnehmen sind, wichtige Elemente der Immunabwehr.
Eine dieser neu entdeckten Überraschungen: Die Gene, die von einer Person zur anderen ein völlig anderes Verhalten zeigen, stehen in der Regel mit Autoimmun-Erkrankungen in Zusammenhang.
Eine weitere Überraschung: Bei Frauen und Männern wird die jeweilige Gen-Expression durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst. Noch besteht keine Sicherheit, aber diese Unterschiede in der Aktivität könnten erklären, warum bei Frauen häufiger als bei Männern Lupus, Rheumatoide Arthritis oder eine Hauterkrankung namens Sklerodermie auftreten.
Ein Ziel der Studie war es, festzustellen, wie oft Gene bei gesunden Personen jeweils aktiviert und deaktiviert werden. Nun fehlen noch Daten zu ähnlichen Beobachtungen bei Kranken, um Vergleichsparameter zu erhalten.
Das Stanford-Forscherteam interessierte sich für das gesamte Szenario der Gen-Regulation bei lebenden Personen – und für die individuellen Unterschiede dabei. Selbst bei eineiigen Zwillingen hat möglicherweise einer eine Autoimmunerkrankung, der andere nicht. Über ein Drittel der untersuchten Genaktivitäten ist gemäß der Studienergebnisse nicht auf genetische Unterschiede zurückzuführen, sondern auf äußere Einflüsse.
Unter den 12 Freiwilligen wurden etwa sieben Prozent aller Gene von einer Person zur anderen in unterschiedlicher Weise aktiviert oder deaktiviert. Bei jeder einzelnen Person allerdings ergaben sich konstante Muster, etwa wie ein Fingerabdruck. Der wichtigste Faktor für das Gen-Verhalten war das Geschlecht der Person. Zwanzig von dreißig untersuchten Genen und ihrer Aktivität unterschieden sich jeweils bei Mann und Frau.